Hochschulautonomie: Das Bayerische Paradoxon – Oder: Manchmal ist man rückblickend klüger …

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Herrmann WolfgangProf. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang A. Herrmann und Dr. Ludwig KronthalerKronthaler Ludwig
Präsident und Kanzler der Technischen Universität München

1997. Die Hochschulen ganz Bayerns sind fest im Griff der Ministerialbürokratie. Diese beobachtet mit Sorge „staatsfeindliche Umtriebe“ im benachbarten Ausland: Von Baden-Württemberg bis Nordrhein-Westfalen geht das Gespenst der „Hochschulautonomie“ um. Ganz Bayern? Nicht ganz. Zunächst unbemerkt, dann belächelt, hat sich ein Geist mancherorts eingenistet, ein Virus, der schnellstens ausgemerzt werden soll.
Da die Bayerische Staatsregierung seit Mongelas weiß, dass Angriff die beste Verteidigung ist, beschließt sie, ein Bayerisches Hochschulreformgesetz vorzulegen. Das erste in Deutschland überhaupt seit langem. Das ambitionierteste und beste natürlich. Das weitsichtige Urteil Müller-Bölings über das Bayerische Hochschulreformgesetz 1998 lautete seinerzeit: „Das beste an diesem Gesetz ist die Experimentierklausel“.

Experimentieren. Damit lässt sich der bayerische Weg zur Hochschulautonomie auf den ersten Blick beschreiben. Trotz aller politischen Lippenbekenntnisse zu Differenzierung und Wettbewerb, geliebt wurde die Hochschulautonomie als Prinzip wettbewerblicher Entwicklung von der bayerischen Politik nie. Und so erweist sich der „Bayerische Weg“ der Hochschulautonomie eher als Stolperpfad, auf dem man sich vorsichtig vorantastet, misstrauisch gibt und nimmt, nur auf stürmisches Drängen ein widerwilliges Nachgeben erfolgt. Eine Mission oder klare Zielorientierung liegen im Nebel des steinigen Bergwegs. Strategien lassen sich allenfalls rückblickend beschreiben. Man kommt nur mühsam voran, Herumirren scheint vorprogrammiert.

Was haben wir gekämpft für eine größere Autonomie der Hochschulen – insbesondere natürlich der TU München -, wohlverstanden als verantwortete Freiheit, während unsere österreichischen Nachbarn lamentierten, „autonomisiert“ zu werden! Verkehrte Welt. Der eine blickte jeweils neidvoll in das Land des anderen. Aber er hat uns gut getan, dieser Kampf: Nichts geschenkt zu bekommen bedeutet, sich sehr gewiss zu werden, wo man hin will, sich sehr anzustrengen, das Ziel zu erreichen, große Vorleistungen zu erbringen für die sprichwörtliche „Taube auf dem Dach“: Leistungsbezogene Mittelverteilung, Akademisches Controlling, interne Steuerung über die Vereinbarung ehrgeiziger Ziele und deren Realisierung, Qualitätsmanagement, Eignungsfeststellung für Studienbewerber, kaufmännisch basiertes Hochschulrechnungswesen, der Kampf um Studienbeiträge zur Verbesserung der Studienbedingungen: Dies alles waren zunächst einseitige Vorleistungen in der bloßen Hoffnung, mehr Freiheit für die Hochschulen zu gewinnen.

Mehr Freiheit wofür? „At home in Bavaria – successful in the world“ wurde zum Motto dieser Zeit. Um unsere TUM im nationalen und internationalen Wettbewerb um Spitzenplätze besser und für Spitzenkräfte attraktiver zu machen, musste der Kampf um mehr Autonomie aufgenommen werden. Aber während die (Spitzen-)Politiker von der Champions League träumten und sprachen, exerzierten die Ministerien unverdrossen den Gleichschritt und waren sorgsam darauf bedacht, dass keiner „aus der Reihe tanzte“. Wenn aber der Langsamste das Tempo bestimmt, kommt man nicht an die Spitze. „Spitz“ ist definitionsgemäß das Gegenteil von „breit“, gleichwohl durfte keiner wirklich vorne stehen. Vielleicht wollte man in Bayern ja die „Breitenspitze“ oder gar die „Spitzenbreite“ erfinden?

Zugegeben, Triebfeder für diese Anstrengungen waren auch persönlicher Ehrgeiz und individuelle Visionen, letztlich kamen diese Energiequellen aber unserem Land zugute, dessen Ministerialbürokratie die Ehrgeizigen zur Weißglut – aber damit auch zu Höchstleistungen trieb. Paradox. Aber wie wäre die erste Runde des deutschen Elitewettbewerbs ohne den Ehrgeiz der Athleten ausgegangen? Niemand weiß es natürlich genau, eine Korrelation von Leistung und Erfolg darf aber schon vermutet werden. Alles andere würde unseren Glauben schwer erschüttern, dass Anstrengung letztendlich Früchte trägt.

In den Wirren vieler Schlachten lässt sich eine Ordnung manchmal nicht oder nur schwer ausmachen. Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat und man erkennt, dass man erfolgreich war, obwohl die Kräfte eigentlich in verschiedene Richtungen drängten, braucht man für das staunende Publikum natürlich eine Erklärung. Ein Versuch, rückblickend eine bayerische Strategie zu beschreiben, könnte wie folgt aussehen:

2008 Cartoon Und sie bewegt sich doch

Wolfgang A. Herrmann und Ludwig Kronthaler

Die TU München wurde „best practice-Hochschule 2000“, als Fachhochschule wurde die Hochschule Bremen ausgewählt. Detlef Müller-Böling verlieh erstmalig die Titel im Rahmen des CHE-Symposiums zum fünfjährigen Bestehens des CHE am 3. Februar 2000.

Mitschnitt aus der Rede zur Verleihung an die TU München

 

 

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