Ehrgeiz im Wettbewerb

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Klaus SteenwegKlaus Steenweg
ehemaliger „Pers. Ref.“ des Univ.-Rektors

Wettbewerb ist selbstverständlich. Er beflügelt den Ehrgeiz und garantiert letztlich Spitzenleistungen. Diese Selbstverständlichkeit gilt für Politiker, Kulturschaffende und Wirtschaftsakteure. Unumstritten ist sie auch für Wissenschaftler und Studierende. So vorteilhaft das gegenseitige Messen ist, so merkwürdig mutet es an, dass es immer wieder ausgeblendet wird. Diesen Tatbestand bringt Mitte 1990 Universitätsrektor Detlef Müller-Böling mit starker Vehemenz in die öffentliche Hochschuldiskussion ein. Sein erstes und zugleich starkes mir in Erinnerung gebliebenes Credo: „Die Gleichwertigkeit der Universitätsabschlüsse ist nur eine Fiktion.“

Diese heute als selbstverständlich empfundene Aussage empfanden seinerzeit viele Beteiligte als Kampfansage. Auf Egalität bedachte Studierende vermuteten richtigerweise eine beginnende Diskussion über elitäre und weniger wertige Abschlüsse. Retardierend denkende Hochschullehrer fürchteten berechtigterweise Transparenz schaffende Zeiten, in denen ihre „Kunden“ sie ungefragt messen würden. Beide Gruppen waren seinerzeit zahlenmäßig stark. Das gilt heute nicht mehr. Und auch die damaligen Befürchtungen sind nicht mehr zeitgemäß: Studierende orientieren sich sehr wohl an Chancen, die ihnen ihr Abschluss am Arbeitsmarkt bringt. Und Wissenschaftler streben sehr wohl an Universitäten mit besserem Renommee.

Dafür ist zunächst wettbewerbliche Transparenz wichtig. Rankings dienen diesem Ziel als eine mögliche Säule (wenn sie denn nicht vornehmlich einer gesteigerten Auflage des publizierenden Mediums dienen sollen). Den Boden dafür bereitete Detlef Müller-Böling vor mehr als 15 Jahren in einem gegensätzlich geprägten Umfeld der heutigen Technischen Universität Dortmund. Es war das Bohren dicker Bretter, dem sich der damalige Gründungsforscher vier Jahre lang verschrieb. Das Werkzeug dazu entwickelte er sich zunächst selbst, seine Kollegen im kollegial geprägten Rektorat gestatteten und unterstützen es bei allen notwendigen Gelegenheiten. Erinnern kann ich mich an Situationen, in denen es gerade die Granden im Prorektorenkreis und der Kanzler der Universität waren, die immer wieder dafür sorgten, dass die Türen zu den ewig Besserwissenden stets offen blieben oder wieder geöffnet werden konnten. All das ist für Detlef Müller-Böling verbunden mit dem Erkennen dessen, was ist. Das ist ein Bescheid-Wissen für Situationen, in denen aktives Handeln oder wollendes Überzeugen und manches Mal auch ein vorläufiger Rückzieher notwendig ist. Dies steht auf einer festen Basis, Treibsand ist ihm ein einziges und fortwährendes Gräuel. Sein „Bescheiden Können“ lässt konkrete Vereinbarungen erwachsen.

Seine offenen, erfrischenden, teilweise begeisternden Wesenszüge erleichtern Detlef Müller-Böling die Arbeit. Das färbt schnell auf sein Umfeld ab. Geht es ihm nicht schnell genug, kann er sich ohne jegliche Ankündigung ein ganzes Wochenende in private Klausur begeben. Seine Ergebnisse lässt er anschließend andere öffentlich vorstellen. Hier wird ein weiterer Müller-Böling’scher Zug deutlich: Mitreißende Führungsstärke gepaart mit einer oftmals ansteckend guten Laune und dem ansteckenden Sendungsbewusstsein. Die Arbeit ist da und muss einfach gemacht werden. Überstunden oder Sonntagarbeit fielen kaum ins Gewicht. Sie waren einfach da, wurden gemacht – ohne Murren auch von seinen Mitarbeitern!

Die nächste Stärke des studierten Wirtschaftswissenschaftlers: Altes und Überkommenes entschlossen über Bord werfen und gleichzeitig den Mut zu haben, Neues zuzulassen und zu unterstützen. Ich erinnere mich noch gut: Anfang Juni 1991 teilt mir Detlef Müller-Böling an einem Donnerstagabend telefonisch mit, dass das erste Dortmunder Campusfest am kommenden Wochenende finanziell gesichert sei. Sponsoren seien gefunden. Diese Veranstaltung trägt bis heute erheblich dazu bei, den der Dortmunder Bevölkerung bis noch in die späten 80’er Jahre hinein fremden Campus öffentlich zu machen. Bei den ersten Überlegungen empfangen die Macher viel Gegenwind, bestenfalls wohlmeinende Ratschläge. Die Ränge sind voll besetzt, auf der Bühne finden sich nur wenige freiwillig ein. Verträge ohne ausreichende Finanzmittel werden beim ersten Campusfest unterzeichnet – ohne dafür vorgesehene Haushaltsmittel und trotz nur mündlicher Ausfallgarantien. Am darauf folgenden Samstagabend das umgekehrte Spiel: Mehr als zwölftausend begeisterte Menschen jubeln der Band auf der Musikbühne zu. Wie reagiert Detlef Müller-Böling darauf? – Schon abends gratuliert er grinsend den vielen anwesenden „Machern“, die sich bereits hinter der Bühne eingefunden hatten.

Bleibt mir noch, einen seiner Wesenzüge zu betonen: Zuhören können und jedem das Gefühl zu geben, er sei wichtig. Das gilt für Studierende, mit denen er stundenlang über neue Formen der Studienfinanzierung debattieren konnte. Das gilt für Studierende aus anderen Staaten, mit denen er über die (persönlichen) Folgen des Golfkrieges diskutierte. Das gilt für wissenschaftliche Mitarbeiter, die in der Selbstverwaltung wegweisende Verantwortung tragen (einer von ihnen ist heute Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft). Das gilt für Hochschullehrer, die sich seinen Ideen anfangs nicht gerne und später ein wenig williger öffnen (abgesehen von einigen „puristischen Hobbyjuristen“ aus dieser Gruppe). Das gilt für Verwaltungsangestellte, die den Wind der Veränderung unsicher spüren. Das gilt für Ministerialbeamte, die die Meinung des Unbequemen nicht immer teilen. Das gilt nicht zuletzt für viele ausländische Wissenschaftler, die ihn in Dortmund besuchen oder die er in den Staaten der Partneruniversitäten trifft. Schließlich für mich persönlich eine Erfahrung der besonderen Art: Sein früh erteiltes Einverständnis, an jedem seiner Gespräche teilnehmen zu können – wohl wissend, dass mir die Zeit dafür niemals bleiben würde.

Ehrgeiz und Wettbewerb ist es nicht, was Detlef Müller-Böling in besonderer Weise auszeichnet. Da stimmt die Wortwahl nicht. Eher schon anhaltender und konsequenter Ehrgeiz im Wettbewerb. Letzteren scheut er nie. Er steht für einen wesentlichen Erkenntnisbeitrag: Wettbewerb um begabte Köpfe ist für ihn kein Vergehen, sondern eine große Chance. Er weiß: Wer diese Menschen im geistigen Diskurs verschmäht, schwächt sich selbst und fügt uns allen großen Schaden zu. Dafür gilt ihm Dank!

Aus dem zugereisten Berliner (mit „erfrischender Schnauze“) und studiertem Rheinländer (mit „feierlustigem Anspruch“) wird ein langjähriger Westfale (mit „beharrlich gewinnender Konsequenz“), der jetzt wieder ins Rheinland zurückkehrt. Alles Gute, eine steife Brise und immer eine Hand voll Wasser unterm Kiel! Glück auf!

Klaus Steenweg

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