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Reinhard MohnReinhard Mohn
Bertelsmann Stiftung

Lieber Herr Müller-Böling,

vor nunmehr 15 Jahren habe ich in enger Kooperation mit dem damaligen Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz, Professor Hans-Uwe Erichsen, eines der erfolgreichsten Projekte der Bertelsmann Stiftung ins Leben gerufen: das gemeinnützige Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Wir standen damals vor einer gewaltigen Herausforderung, man kann auch von einem Abenteuer sprechen. Wir wollten die Hochschulen gemeinsam aus ihrer Erstarrung lösen und wieder evolutionsfähig machen. Für diese Aufgabe suchten wir einen unerschrockenen Hochschulexperten, der das Wissen und den Mut hatte, neue Wege zu gehen und verkrustete Strukturen aufzubrechen. Sie waren damals Rektor der Universität Dortmund und hatten sich in der Hochschulszene bereits als Reformer einen Namen gemacht.

Ich bin heute sehr froh, dass es Herrn Erichsen und mir gelungen ist, Sie als Kopf des CHE nach Gütersloh zu holen. Ohne Ihr großes, unermüdliches Engagement und Ihr ausgeprägtes Kommunikationstalent wäre die einmalige Erfolgsgeschichte des CHE, die Entfesselung der Hochschulen, nicht möglich gewesen. Bei der Gründung des Centrums für Hochschulentwicklung haben wir uns sehr ehrgeizige Ziele gesetzt. Wir wollten die bildungspolitischen Tabus der Vergangenheit überwinden, den Wettbewerb ins Hochschulsystem tragen und die Führungs- und Organisationsstrukturen modernisieren. Dazu mussten viele „heiße Eisen“ angepackt werden: Studienzugang, Studiengebühren, öffentliches Dienstrecht, Studienstrukturen, Finanzmittelmanagement, Abbau staatlicher Reglementierung und die Professionalisierung des Hochschulmanagements. Ausgangspunkt der Reformarbeit war Ihre überzeugende Vision von der Hochschule der Zukunft.

Universitäten müssten autonom, wissenschaftlich, profiliert, wettbewerblich, wirtschaftlich und international sein, haben Sie auf der ersten großen Konferenz des CHE im Januar 1995 in Gütersloh gesagt. Heute können wir feststellen: Ihre Vision ist in vielen entscheidenden Punkten umgesetzt worden – Ihren Worten sind Taten gefolgt.

Nehmen wir das Stichwort Autonomie. Der Staat hat inzwischen eingesehen, dass die Prozesssteuerung durch Richtlinien und Erlasse ein falscher Ansatz und nicht mehr zeitgemäß ist. Ein überzeugendes Beispiel dafür ist das Hochschulfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, das auf zahlreichen Vorschlägen des CHE basiert. Auch der Wettbewerb hat innerhalb und zwischen den Hochschulen zu erheblichen Leistungssteigerungen in Forschung und Lehre geführt. Dazu konnte das CHE-Hochschulranking einen ganz wesentlichen Beitrag leisten. Dieses Instrument hat zu einer hohen Transparenz im Hochschulsystem geführt und gibt Abiturienten eine wichtige Orientierungshilfe. Der notwendige Wettbewerb hat auch zu einer stärkeren Profilbildung beigetragen. Das CHE hat entscheidend daran mitgewirkt, dass die Fiktion der Gleichwertigkeit und Einheitlichkeit der Hochschulen überwunden werden konnte.

Viele Universitäten und Fachhochschulen sind stolz auf ihr eigenständiges Profil und nutzen es offensiv für ihr Marketing. Auch wirtschaftliches Denken ist den Hochschulen heute nicht mehr fremd. Das CHE hat zahlreiche Vorschläge unterbreitet, wie man ökonomisch sinnvoll handeln kann, ohne sich allein erwerbswissenschaftlichen Interessen zu verschreiben. Durch Ihre Mitwirkung werden Hochschulen vom Staat inzwischen leistungs- und innovationsorientiert finanziert und genießen weitgehende Freiheit bei der internen Verteilung der Mittel. Gleichzeitig nutzen die Universitäten intensiv die Möglichkeit, weitere Einnahmen zu erzielen. Drittmittel und Studiengebühren spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Weiterverwertung von Forschungsergebnissen, Einnahmen aus Dienstleistungen oder aus Angeboten im Bereich der Weiterbildung. Zudem verfügt die wirtschaftliche Hochschule heute über ein entwickeltes Controlling und ein differenziertes Instrumentenset zur Rechenschaftslegung.

Lieber Herr Müller Böling, zum Ende ihrer fast 15-jährigen Tätigkeit an der Spitze des CHE können Sie auf eine eindrucksvolle Leistungsbilanz zurückblicken. Sie haben mit der Reformarbeit des CHE ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die deutschen Hochschulen auch im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig sind. Zum Abschluss noch eine persönliche Anmerkung. – Durch meine Mitarbeit bei der Universität Witten/Herdecke war ich mit der Reformproblematik im Hochschulbereich vertraut geworden. – Unsere Kooperation und insbesondere Ihre Erfahrung führten zu einem wichtigen Fortschritt mit der Gründung des CHE! – Ich danke Ihnen für diese gute menschliche und fachliche Zusammenarbeit! – Für mich war diese Aufgabe eine sehr befriedigende Bestätigung meines Bemühens! Ich hoffe sehr, dass Sie die Bertelsmann Stiftung und das CHE auch weiterhin mit Rat und Tat unterstützen.

Ihr Reinhard Mohn

Im Jahr 2004 überreichte Professor Detlef Müller-Böling einen CHEmpion an Reinhard und Liz Mohn

Mitschnitt aus dem CHE-Symposium „Weiter entfesseln – den Umbruch gestalten“ im April 2004 aus Anlass des zehnjährigen Bestehens des CHE

 

 

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