Drei Thesen zum Personalmanagement deutscher Universitäten

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Prof. Dr. Wilfried Müller
Rektor der Universität Bremen

1. These
Verbesserung und Sicherung der Qualität von Forschung und Lehre (auf der Basis ausformulierter Ziele und Standards) hängen von vielen Faktoren ab, z.B. den verfügbaren Ressourcen, den Organisationsstrukturen und Handlungskonstellationen innerhalb der Institutionen, vor allem aber den Qualifikationen, Motivationen und Kompetenzen der an Forschung und Lehre beteiligten Personen.

In Hochschulen und Universitäten müssen die jeweiligen Organisationen den zentralen Akteuren von Lehre und Forschung große Handlungsspielräume (in allen Dimensionen bis zur eigenständigen Suche von Kooperationspartnern) zugestehen, da die Kreativität der Einzelnen und deren Bereitschaft und Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, nicht „von oben“ vorzuschreiben ist. Gute Lehre und Forschung kann man nicht erzwingen, sie müssen aus eigener Einsicht erwachsen. Im Grunde müssen die Strukturen und Formen der Organisation „Universität“ stärker den besonderen Kompetenzen, Fähigkeiten und Motivlagen des Personals, insbesondere natürlich des wissenschaftlichen Personals gerecht werden als umgekehrt die personengebundenen Kompetenzen den Anforderungen der jeweiligen Organisationsstrukturen. Dabei bestehen offensichtlich zwischen Forschung und Lehre in sofern gravierende Unterschiede, als die Gestaltung der Kooperationsbeziehungen in der Forschung viel stärker als in der Lehre freiwilligen Charakter trägt. In der Lehre muss der Grad der Verbindlichkeit der Absprachen aller Beteiligten aus verschiedenen Gründen (Prüfungsordnungen, Berufsschicksal der Absolventen etc.) notwendigerweise sehr viel höher sein.

Angesichts der offensichtlich extrem hohen Bedeutung der individuellen Kreativität, Qualifikation und Motivation des Personals für das Leistungsvermögen der gesamten Hochschule ist es verblüffend, dass die deutschen Universitäten und Fachhochschulen erst in den letzten Jahren, mehr als zwei Jahrzehnte nach den amerikanischen staatlichen Universitäten die hohe Bedeutung des Personalmanagement für Leistung und Qualität der gesamten Institution erkannt haben. Dabei soll unter Personalmanagement der gesamte Bereich der Planung, Auswahl, Betreuung, Qualifizierung und Einsatz- und Aufstiegspolitik des wissenschaftlichen wie des nicht-wissenschaftlichen Personals verstanden werden.

2. These
Im Selbstverständnis der deutschen Universitäten hat zwar schon seit langer Zeit die Personalauswahl für die Besetzung der Professuren eine zentrale Rolle bei der Sicherung der Qualität von Forschung und Lehre gespielt. Es lässt sich zwar darüber streiten, ob die in der Regel angewandten Auswahlkriterien ausreichend waren (z.B. Vernachlässigung der hochschuldidaktischen Kompetenzen) und ob die Umsetzung dieses Anspruchs ernsthaft vorgenommen wurde. Unstrittig ist aber, dass die Personalauswahl im Bereich der Professorinnen und Professoren nur eine Komponente in einem komplexen Personalmanagement der Universitäten sein kann.

Zum einen ist mit der in der Regel forschungsorientierten Auswahl der Professorinnen und Professoren in Berufungsverfahren keineswegs alles getan, um dieser hochqualifizierten Personengruppe zur Ausschöpfung und weiteren Vergrößerung ihres Leistungsvermögens zu verhelfen, insbesondere nicht im Hinblick auf Personalführung und Leitungskompetenz. Zum zweiten existiert an deutschen Universitäten in der Personalpolitik unübersehbar eine Fixierung auf den Professor und eine weitgehende Unterschätzung der Qualifikationen des nicht-professoralen wissenschaftlichen und auch des nicht-wissenschaftlichen Personals, also der Techniker/-innen, Verwaltungsangestellten und Sekretär/-innen. Dabei sind ohne kompetente Dienstleistungen dieser Gruppen die Wissenschaftler/-innen nicht in der Lage, sich auf ihre eigentlichen Aufgaben in Forschung und Lehre zu konzentrieren.

In einer Hochschullandschaft aber, in der der Wettbewerb, z.B. um Drittmittel oder gute Studierende, sich Bereich um Bereich durchsetzt, müssen die Auswahlverfahren für Professuren und letztlich aller Personalkategorien qualitativ verbessert werden. Bei Professorinnen und Professoren bedarf es insbesondere eine stärkere Beachtung der Lehrkompetenzen, z.B. durch die Durchführung von Lehrproben und/oder die Vorlage hochschuldidaktischer Konzepte für die später zu haltenden Lehrveranstaltungen, aber auch die Bewertung der nicht-fachlichen Kompetenzen, insbesondere der Fähigkeiten zur Kooperation in einer arbeitsteiligen Organisation sowie der Kompetenzen zur Personalführung. Vor diesem Hintergrund hat die Universität Bremen eine Personalberatungsagentur mit dem Ziel gewonnen, die nicht-fachlichen Fähigkeiten zu prüfen. Hierbei geht es nicht darum, den Bewerber/-innen zu gestatten, fachwissenschaftliche Schwächen durch soziale Fähigkeiten auszugleichen, sondern im Gegenteil die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass unter den fachwissenschaftlich besten Wissenschaftler/-innen diejenigen aufgespürt werden, die Organisation „zusammenhalten“ und „voranbringen“ können.

Es reicht jedoch nicht aus, sich auf das wissenschaftliche Personal zu konzentrieren. Auch für Verwaltungsangestellte, Techniker/-innen und Sekretär/-innen müssen Konzepte der Personalentwicklung entworfen und umgesetzt werden. Für alle Personalkategorien kommt es darauf an, die spezifischen individuellen Fähigkeiten einer Person so durch Weiterbildung in Verbindung mit einer gezielten Aufstiegspolitik zu steigern, dass das Leistungsvermögen von Instituten, Abteilungen etc. verbessert wird. Von großer Bedeutung für den Erfolg der Personalentwicklung ist, dass mit Dekanat und evtl. Rektorat, in jedem Fall mit dem Personalrat individuelle Karrierepfade entwickelt werden.

Einige Beispiele müssen hier genügen: Erfahrenen wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen die Chance zu geben, auf der Basis einer systematischen formellen Weiterbildung in Fragen des Projektmanagements sich für Geschäftsführerfunktionen in Sonderforschungsbereichen oder größeren Instituten zu qualifizieren, ist deshalb sinnvoll, weil relativ viele Personen dieser Gruppe sich bereits informell „im Arbeitsvollzug“ für die Organisation und das Management von komplexen Forschungszusammenhänge qualifiziert haben. Mitarbeiter/-innen aus Sekretariatsfunktionen, die häufig bereits umfassende Erfahrungen mit hochschullehrernahen Verwaltungsaufgaben haben, das Angebot zu machen, ihre Fähigkeiten für eine neue Position in der Verwaltung mit höherem Gehalt zu entwickeln, ist für beide Seiten, die Person und die Institution von Vorteil. Techniker/-innen die Chance zu geben, nach der Neubesetzung einer Professur (in den Natur- und Ingenieurwissenschaften) sich auf den neuesten Stand von Wissenschaft und Technik zu bringen, ist mit einem unmittelbaren Vorteil für neue Forschungsprojekte verbunden.

Die genannten Beispiele scheinen selbstverständlich zu sein, sie sind es aber an deutschen Universitäten nicht. Nur wenige deutsche Hochschulen geben heute für die innerbetriebliche Weiterbildung ihres wissenschaftlichen, technischen und Verwaltungspersonals einen relevanten Teil ihres jährlichen Haushalts aus (0,5% des Hauhalts wäre schon relativ sehr viel). In der Regel wird davon ausgegangen, dass es eine Weiterbildung und Qualifizierung im und durch den täglichen Arbeitsprozess gibt.
Dass Weiterbildung, Aufstiegspolitik und Personalentwicklung nur mit der betrieblichen Personal- und Interessenvertretung realisiert werden können, sollte auf der Hand liegen. Nicht nur, weil die Personalpolitik ein Kernbereich der Personalvertretungsgesetze ist, sondern auch, weil Personalräte in den letzten Jahren sich entschieden haben, sich noch stärker als in der Vergangenheit auf diesem Feld zu engagieren, weil sie zu der Einsicht gekommen sind, dass in Zeiten fallender Personalbestände jede Fehlbesetzung mehr Arbeit für alle anderen bedeutet.

3. These
Personalentwicklung im Bereich des akademischen Personals ist im anspruchsvollen Sinne des Wortes (also nicht nur im Sinne der Kompetenzerweiterung und Motivationssteigerung der Personen, sondern auch deren Vorbereitung auf die Übernahme neuer Funktionen und Positionen) aus den bekannten Gründen (und auch z. T. guten Gründen, z. B. quasi „Hausberufungsverbot“) in Deutschland nur selten möglich.
Aber einige Beispiele mit systematischem Charakter können hier doch erwähnt werden:

  • Für Juniorprofessorinnen und -professoren mit Tenure Track Option liegt es nahe, von der Universität aus ihnen komplexe Weiterbildungsangebote in den Bereichen Hochschuldidaktik, Personalführung, Projektmanagement, Präsentationstechniken, Zeitmanagement zu machen, da diese Personengruppe nach erfolgreicher Bewerbung für eine unbefristete W2-Professur ein umfassenderes Aufgabenspektrum mit höherer Verantwortung in der Institution wahrzunehmen hat.
  • Auch der Aufstieg von W2 nach W3 nach „Bleibeverhandlungen“ (als Antwort auf einen externen Ruf) kann zur Neuformulierung des Aufgabenspektrums mit einer höheren Personalverantwortung in der Institution genutzt werden. Auch für diese Personengruppe sollten Universitäten Weiterbildungs- und insbesondere Coaching-Angebote machen.
  • Und schließlich ist es bei der gestiegenen Verantwortung von Dekanen für ihre Fachbereiche heute unabdingbar, dass Professorinnen und Professoren sich auf die mit dieser Funktion verbundenen Aufgaben vorbereiten. Hierfür hat sich an der Universität Bremen eine systematische Verbindung der Gewährung einer Funktionszulage (in der W-Besoldung“ und deutlicher Reduzierung der Lehrverpflichtung mit vorgängigen und parallelen Weiterbildungs- und Coaching-Angeboten als erfolgreich erwiesen.

Zeitlicher und finanzieller Aufwand für Planung und Umsetzung der hier beschriebenen Maßnahmen sind zwar erheblich, aber der „qualitative Ertrag“ durch Vergrößerung der individuellen Zufriedenheit und Verbesserung der Leistungen der gesamten Institution ist groß. In den letzten Jahren hat – wie der 2006 durchgeführte Wettbewerb des Stifterverbandes belegt – eine steigende Zahl von Hochschulen die Relevanz des Personalmanagements und in diesem Rahmen der akademischen Personalentwicklung für die Entwicklung der gesamten Institution erkannt. Aber im Verhältnis zur Gesamtzahl handelt es sich bei den Antragstellern weiterhin um Pioniere. Es ist an der Zeit, dass die deutschen Hochschulen und Universitäten sich auf breiter Front und mit großer Entschlossenheit der Personalentwicklung als Teil eines komplexen Personalmanagement annehmen – „ohne“ kann man in internationalen Wettbewerben kaum noch bestehen.

Wilfried Müller

Akademisches Personalmangement - Symposium des CHE Centrum für Hochschulentwicklung und des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft 20./ 21. April 2006, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. für Jutta Fedrowitz, CHE Foto David Ausserhofer *** Local Caption ***
Jutta Fedrowitz, Mü-Bö, Christian Berthold, Wilfried Müller Akademisches Personalmanagement – Symposium CHE und Stifterverband  20./ 21. April 2006, Foto David Ausserhofer

 

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