Die W-Besoldung – Idee und was die Politik daraus gemacht hat

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Prof. Dr. Margret WintermantelMargret Wintermantel
Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz

I.
Im Februar 2002 wurde die W-Besoldung mit dem Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung eingeführt. Dieses Bundesgesetz gab den Ländern bis zum 31.12.2004 Zeit, das neue Regelwerk in Landesrecht umzusetzen. Der wesentliche Inhalt des Gesetzes besteht in der Verhandelbarkeit aller Gehälter, dem Wegfall der bisherigen Obergrenze der Besoldung (B10) in Ausnahmefällen, der Ersetzung der Alterszulagen durch variable Leistungsbezüge (Zulagen) und der Regelung der Kriterien und Verfahren für die Vergabe der Zulagen im Landesrecht.

II.
Verträgt sich ein solches Gesetz mit dem Status der Hochschulen als Zukunftswerkstätten unserer Gesellschaft, die das noch nicht Gedachte denken, das noch nicht Gemachte machen und damit Innovationen anregen, neue Entwicklungen ermöglichen sollen? Früher war daraus eine uneingeschränkte Leistungsvermutung zugunsten der Hochschulen entstanden, die sich auch in Privilegien für die dort Tätigen ausdrückte. Schon in der Antike hieß es in einem Dekret des römischen Kaisers Konstantin (306 bis 337): „Die Ärzte und besonders die Hof- und Leibärzte, die Sprachforscher und andere öffentliche Bekenner der Wissenschaften sollen zusammen mit ihren Frauen und Kindern und dem Vermögen, das sie in ihren Gemeinden besitzen, von jeder Abgabenerhebung und von sämtlichen privaten und öffentlichen Lasten frei sein.“

Auch noch Wilhelm von Humboldt sah in der Universität eine Art von Vertrauensinstitution, die, wenn man nur „tüchtige Männer berufe und das ganze sich anskandieren lasse“, immer zukunftsweisende Erkenntnisse hervorbringe und deshalb eine bedingungslose staatliche Alimentation verdiene. Dieses uneingeschränkte Vertrauen gegenüber den Hochschulen, insbesondere den Universitäten, war spätestens am Ende des Hochschulausbaus, also Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, verloren gegangen. Seitdem entwickelte sich für die Hochschulen ein Wettbewerb mit anderen Politikbereichen um die öffentlichen Mittel. Die Hochschulen mussten einsehen: Wenn es ihnen nicht gelang, das stets aktivierbare Vorurteil zu beseitigen, der Hochschulbereich sei ein Fass ohne Boden, würden sie in diesem Wettbewerb nicht bestehen können. Universitäten und Fachhochschulen hatten die Wahl, die finanziellen Verhältnisse hinzunehmen und ihre Leistungen diesen anzupassen. Oder sie akzeptierten den Wettbewerb mit anderen Politikbereichen um die knappen öffentlichen – und privaten – Mittel.

Die in der HRK vereinten Hochschulen haben sich für den zweiten Weg entschieden. Seit 1991 begann sich bei ihnen die Einsicht durchzusetzen, dass sie diese Herausforderung annehmen und Qualität als oberstes Verteilungskriterium anerkennen mussten. Staat und Gesellschaft sollten durch Leistungen in Forschung, Lehre sowie in der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, in der Weiterbildung und in den sonstigen Dienstleistungen überzeugt werden, dass Investitionen in die Hochschulen lohnende Zukunftsinvestitionen sind. Ein entschiedener Fürsprecher dieser Auffassung war der damalige Rektor der Universität Dortmund, Detlef Müller-Böling.

III.
Für die HRK war klar: In einem wettbewerbsgesteuerten Hochschulsystem dürfen die staatlichen Finanzzuweisungen nicht mehr nach historisch gewachsenen Besitzständen oder Zufälligkeiten auf die Hochschulen, Fakultäten und Fachbereiche verteilt werden, sondern müssen sich an Leistungs- und Belastungsparametern ausrichten. Und dies kann über Zielvereinbarungen zwischen Staat und Hochschule sowie innerhalb der Hochschule zwischen Leitung und Fakultäten/Fachbereichen organisiert werden. Der Staat zieht sich auf die ergebnisorientierte Kontrolle zurück, gewährt finanzielle Planungssicherheit für die Hochschulen und lässt im Übrigen die Hochschule in jeder Beziehung autonom handeln, wie sie die vereinbarten Ziele erreicht. Die Hochschulen besitzen dazu die institutionelle Autonomie in akademischer wie auch in finanzieller, personeller und organisatorischer Hinsicht, einschließlich Berufungszuständigkeit, Dienstherrenfähigkeit, Immobilienkompetenz und Bauherreneigenschaft. Hochschulen werden zur „entfesselten Hochschule“, wie Detlef Müller-Böling, nun CHE-Chef, es beschrieben und damit ein ganzes Programm auf den Punkt gebracht hat. Wir müssen heute feststellen, dass wir immer noch ein gutes Stück von diesem Leitbild entfernt sind. Eher besitzen die Hochschulen eine „geliehene“ Autonomie, die der Staat zu häufig wieder zurücknimmt oder nicht zur Entfaltung kommen lässt.

IV.
Für die HRK war damals auch klar: Was institutionell gilt, muss auch individuell gelten. D.h., auch die individuelle Bezahlung der Hochschulangehörigen (nicht nur der Professorenschaft) muss stärker als bisher Leistungs- und Belastungsparametern folgen. Leistungsfremde Parameter wie Zulagen für Älterwerden passen nicht zu einem Wettbewerbssystem.
Unbeantwortet ist in diesem Zusammenhang bis heute die Frage, was in einem wettbewerbsgesteuerten Hochschulsystem unter Amts angemessener Professorenbesoldung verstanden werden muss. Darf oder muss das zugrunde liegende Alimentationsprinzip als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums neu definiert werden? Welches Grundgehalt ist attraktiv genug und wird den Anforderungen und Qualifikationserfordernissen für eine Professur gerecht? Ist jede Absenkung der Grundbesoldung bei gleichzeitiger Einführung eines neuen Zulagensystems Amts unangemessen? Sicherlich gehörten und gehören unsere Professorengehälter im internationalen Maßstab nicht zur absoluten Spitzengruppe. Sie liegen aber auch nicht unter dem Durchschnitt. Und immerhin hat man sich im Zuge der Föderalismusreform auf eine Weiterentwicklung der Grundsätze des Berufsbeamtentums verständigt. Man darf gespannt sein, wie die Gerichte über die anhängigen Rechtsstreite entscheiden.

V.
Es ist in diesem Zusammenhang auch die Frage gestellt worden, ob ein solches Besoldungssystem mit dem Berufsethos des Wissenschaftlers in Einklang stehe. Wenn man die lange Korrespondenz Hegels mit dem preußischen Minister über die materiellen Voraussetzungen seiner Rufannahme in Berlin liest, erinnert man sich an eine der Erkenntnisse Max Webers, dass man nämlich nicht fortwirkend enthusiastisch sein kann. „Intrinsische“ Motivation ist wichtig, ihr Vorhandensein und ihr hoher Stellenwert in der Wissenschaft stehen außer Zweifel. Sie reicht aber nicht ein ganzes Wissenschaftlerleben aus. Wie auch umgekehrt finanzielle Anreize nicht für das Bestehen im Wettbewerb ausreichen können, wenn die intrinsische Motivation fehlt.

VI.
Im Juni 1997 trat das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts in Kraft. Es zog die gesetzlichen Folgerungen aus dem 1994 vom Bundeskabinett verabschiedeten Perspektivbericht über die Fortentwicklung des öffentlichen Dienstes und implementierte erste leistungsbezogener Elemente in das Dienstrecht der Beamten.
Die HRK hat den Perspektivbericht ausführlich diskutiert und festgestellt, dass die Vorschläge für den Hochschulbereich nicht weit genug reichten.

VII.
Die HRK hatte deshalb schon 1995 mit der Entwicklung eines neuen Besoldungssystems begonnen, die das Plenum im November 1998 mit der viel beachteten „Empfehlungen zum Dienst- und Tarif-, Besoldungs- und Vergütungsrecht und zur Personalstruktur in Hochschulen“ (Beiträge zur Hochschulpolitik 8/1998) abschloss. Der Ansatz der HRK war jedoch viel liberaler und autonomer als das spätere Gesetz: Die bisher unterschiedlichen Besoldungsgruppen und die Alterszulagen sollten entfallen. In jedem Einzelfall wird – unabhängig von der Hochschulart – ein individuelles Gehalt ausgehandelt. Die Obergrenzen entfallen und es wird von einer nicht verhandelbaren Untergrenze ausgegangen. Der verhandelbare Besoldungsteil besteht entweder aus einem Strukturzuschlag, der den „Marktwert“ bzw. die Reputation der zu Berufenden ausdrückt sowie Funktion und Verantwortung der zu besetzenden Professur berücksichtigt, oder aus variablen, überwiegend befristeten Leistungs-, Belastungs- oder Funktionszulagen, die allesamt leistungs-orientiert sind.
Die HRK-Vorschläge sahen unterschiedliche Verfahren zur Leistungsbewertung von Profes-sorinnen und Professoren vor, wobei die Entscheidungen über das zu wählende Verfahren und die Kriterien in den akademischen Gremien der Hochschule getroffen werden sollten. Die Mittel für die bisherigen Alterszulagen sollten den Hochschulen als Gesamtsumme zur Verfügung gestellt werden. Die Hochschule sollte entscheiden, in welchem Umfang diese Mittel auf hochschul-, fachbereichs- oder fächergruppenbezogene Besoldungspools aufgeteilt werden.
Die HRK betonte immer wieder, dass die Realisierung ihrer Vorschläge ausfinanzierte Globalhaushalte der Hochschulen mit Dynamisierungsklauseln für Vergütungs- und Besoldungsveränderungen zur Voraussetzung haben.

VIII.
Die weitere Entwicklung ist bekannt: Eine breite Diskussion in Politik und Hochschulen, in Verbänden und Gewerkschaften, in Medien und Öffentlichkeit setzte ein. Der Leiter des CHE unterstützte u.a. in der „Hamburger Erklärung“ (30. April 1999) – zusammen mit der damaligen Senatorin für Wissenschaft und Forschung Hamburgs, Krista Sager – die leistungsbezogene Ausgestaltung der Gehälter von Professoren, leitenden Wissenschaftlern und Verwaltungsmitarbeitern in Führungspositionen. Auch die KMK sprach sich in einem Diskussionspapier vom Mai 1999 für eine leistungsorientierte Besoldung der Hochschullehrer aus. Der Deutsche Hochschulverband erkannte an, dass die damals bestehende Besoldungsstruktur wettbewerbsfeindlich sei. Die Bundesregierung setzte zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens die Expertenkommission „Reform des Hochschuldienstrechts“ unter Vorsitz von Professor Dr. Hans Meyer ein, die ihren Bericht Anfang 2000 vorlegte. Begleitet wurde dieser Prozess von starken Auseinandersetzungen in und zwischen allen hochschulpolitischen Lagern. Erinnert sei nur an den Rücktritt des damaligen DHV-Präsidenten aus der Expertenkommission. Dass institutionelle Schwierigkeiten zwischen DHV und HRK entstanden und nachwirkten, ist nachvollziehbar, dass persönliche Freundschaften zerbrachen, deutet auf die Schärfe der Auseinandersetzung hin.

IX.
In dem Bericht der Expertenkommission zeichnete sich ab, dass mit den eingangs genannten Gesetzen die von der HRK gesetzten Ziele nicht erreichbar sein würden. Schuld war die politisch, vor allem von den Länderfinanzministern vorgegebene, kameralistisch eng angelegte Kostenneutralität der Reform. Aufgrund der für Leistungsanreize viel zu geringen und zu unflexibel einsetzbaren Finanzmittel würden die Hochschulen entgegen den Erwartungen weder auf die Bedingungen des Arbeitsmarktes wettbewerbsfähig reagieren noch Leistungen im nennenswerten Umfang honorieren können. Und die Hochschulen würden keine der Profilbildung und den Erfordernissen wissenschaftlicher Qualität entsprechende Personalentwicklung einleiten können.

Die erneute Forderung der HRK, die Kostenneutralität für einen mehrjährigen Übergangszeitraum aufzugeben, verhallte ungehört. Bundes- und Landesgesetzgeber hielten an der rigiden und klein karierten Kostenneutralität fest, manifestiert im sog. Vergaberahmen. Es soll nur als „Fußnote“ erwähnt werden, dass es selbst einem Detlef Müller-Böling nicht auf Anhieb leicht fiel, dieses Konstrukt zu verstehen. Verheerend wirkte sich die Deckelung des Zulagenvolumens durch die Abhängigkeit von Besoldungsdurchschnitten der Länder und die Eingrenzung der Auffüllungsmöglichkeiten, verbunden mit einem großen bürokratischen Aufwand in Form einer Kaskade von detaillierten Regelungen (Bundes-, Landesgesetze, Verordnungen), aus. Dies führte in den Hochschulen zur drastischen Einschränkung der eigenständigen Gestaltungsmöglichkeiten in den Zulagensystemen. Der Vergaberahmen darf nicht nur nicht durch eingesparte Sachmittel dauerhaft erhöht werden, es kann sogar sein, dass er durch die Einnahme öffentlicher Drittmitteln (z.B. Erstattungen bei gemeinsamen Berufungen) gemindert wird – ein groteskes Ergebnis.

X.
Die erste, vorläufige Bilanz nach drei Jahren Erfahrungen mit der W-Besoldung kann deshalb nur so ausfallen: Die Ausgangsüberlegung war gut, und es war begrüßenswert, dass Besoldungsstrukturen eingeführt wurden, die vom Grundsatz her dem wettbewerbsorientierten Hochschul-Steuerungssystem entsprechen. Die konkrete Umsetzung ist jedoch überwiegend katastrophal, da die Finanzierung schlicht nicht ausreichend ist. Damit kann die W-Besoldung die Erwartungen nicht erfüllen, im Gegenteil, oftmals werden Unzufriedenheit und Demotivation hervorgerufen.

Die Politik muss deshalb ihre Finanzrestriktionen aufgeben. Der Vergaberahmen sollte abgeschafft, jedenfalls durch eine hochschulfreundliche, unbürokratische Lösung ohne staatliche Detailvorgaben für die Bewirtschaftung ersetzt werden, die den autonomen Strukturen und dem Finanzierungsrisiko der Hochschulen Rechnung trägt. So muss der Besoldungsdurchschnitt als Bezugsgröße für die Höhe von Gehältern entfallen. So müssen die Hochschulen in ihren Globalhaushalten uneingeschränkt Umschichtungen vornehmen können. So muss den Hochschulen eine Verstärkung des Finanzvolumens für die Zulagen aus anderen Quellen, insbesondere über Zuwendungen Dritter und Overhead-Mittel, erlaubt und eine Eingliederung auch dieses Finanzblocks in ihr Globalbudget- bzw. Personalkostenbudget ermöglicht werden. Allerdings ist selbstverständlich, dass bei einer zusätzlichen Bezahlung aus eigenen Mitteln kein Anspruch gegenüber dem Land erwachsen kann, künftig den Landeszuschuss zu erhöhen.

Nach der Föderalismusreform entfällt im August d. J. der bundeseinheitliche Rahmen für das Beamten-, Besoldungs- und Versorgungsrecht. Es liegt also nunmehr ausschließlich in der Hand der Länder, ihre Politik zu ändern und der guten Idee doch noch zum Erfolg zu verhelfen.

Margret Wintermantel

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