Abschied von der akademischen Republik?

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Dr. Jürgen EderlehJuergen Ederleh
Geschäftsführer, HIS Hochschul-Informationssystem GmbH

Gelegentlich ist es hilfreich, die Position profundierter historischer Distanz einzunehmen, um gesellschaftliche – oder hier: gesellschaftspolitische – Evolutionen zu bewerten. Stellt man diese analytische Reflektion z. B. im Hinblick auf die bildungspolitischen Konsequenzen der Einführung der Neuen Steuerungsmodelle im Bildungs- und insbesondere Hochschulbereich an, so findet man interessante Schlussfolgerungen:

Man muss sich vergegenwärtigen, dass die Universitäten in ihrer jahrhundertealten Tradition und ihrem Spirit bestimmt waren von dem Zusammenleben von exzellenten Wissenschaftlern in einer „akademischen Republik“, die ihrerseits den Garant für freien wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und „intellectual curiosity“ sowie für „scholarly productivity and creativity“ bildete. Nicht performancebasierte Indikatoren oder vergleichbare Leistungsnachweise, nicht Rankingplätze, nicht Zielvereinbarungen und Hochschulverträge und hoch differenzierte Rechenschaftslegung und auch nicht Globalhaushalte, sondern freies Lehren und Forschen waren Maximen. Staatliche Regulierungen, Einflussnahmen aus der (auch hochschulischen) Exekutive … waren weitgehend tabu.

Die Neuen Steuerungsinstrumente im Hochschulbereich beanspruchen für sich, den angeblich epochalen Paradigmawechsel in der Hochschulpolitik zu begründen und führen Hochschulen – zugespitzt formuliert – tendenziell zu „managerial institutions“. Aber: Bei sorgfältiger Analyse kommt man möglicherweise zum Ergebnis, dass ausdrücklich nicht die Philosophie der Neuen Steuerungsinstrumente, nämlich „Auswilderung“ der Hochschulen (Detlef Müller-Böling würde sagen: Die Entfesselung der Hochschulen), mit verstärkter Autonomiezuweisung und Deregulierung, der outputbasierten Finanzierung, der Forderung nach massivem Wettbewerb den wirklichen Paradigmawechsel im Hochschulsystem auslösen. Und vielleicht auch nicht Bologna!

Sondern: Es ist wohl der dramatische Einflussnahmeverlust der forschenden Individuen auf die role and mission der Hochschule als Ganze, der starkes zentrales Universitätsmanagement – manchmal orientiert an ökonomischen/unternehmerischen Prinzipien und Maßgrößen – zum Leitbild der Hochschule transformiert.

Ob diese Entwicklung dem Auftrag der Hochschulen zu gesellschaftlich relevantem Erkenntnisgewinn, basierend auf zielfreiem Forschen, zuträglich ist, kann bezweifelt werden.

Vielleicht aber kann man aktuell einige „Gegensteuerungsakzente“ ausfindig machen:

Die Exzellenzinitiative z. B. kann – wenn man sie förderlich bewerten mag – Hoffnung dazu geben, dass sie die zu starke Fokussierung auf Konzepte der managerial university in ihrer Wirkung mildert.

Dies deswegen, weil die Exzellenzinitiative von ihrer hochschulpolitischen Philosophie her dem forschungszentrierten Spirit folgt. Insoweit kann sie die wahrzunehmende Polarisierung in den Steuerungskonzepten partiell aufheben: nämlich einerseits folgend dem Leitbild der akademischen Republik, charakterisiert durch das Primat der Wissenschaft – oder besser der Erkenntnis suchenden Wissenschaftler – , und andererseits dem sich Verpflichtet-Fühlen den eher betriebswirtschaftlichen, hochschulleitungsstarken, zentralistischen Führungs- und Steuerungsinstrumenten, charakterisiert durch „Unternehmer“ in Rektoraten/Präsidien sowie in den weiteren Verantwortungsbereichen (auch dezentral!) in Hochschulen.

Diese Polarisierung übrigens führt gelegentlich zu einer Unfähigkeit zur innerhochschulischen Kommunikation zwischen den Akteuren, die sich den beiden Extrempositionen zugehörig fühlen.

Und: Detlef Müller-Böling jedenfalls wäre es recht, wenn das gelegentlich unreflektierte Implementieren der Neuen Steuerungsinstrumente durch belastbare empirische Analysen qualitätsgesichert würde! Er wollte und will nicht die „Steuerung“ des Hochschulsystems im ingenieurwissenschaftlichen Verständnis, das bekanntlich das Ziel kennt und „lediglich“ Verfahren und Instrumente zur Zielerreichung optimiert. Die „zielfreie“ gesellschafts- und bildungspolitische Rolle der Hochschulen unversehrt zu lassen oder evolutorisch neu zu definieren, entspricht sicherlich seiner so fachkompetenten Interpretation.

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