Die Rolle von Marketing und Rankings im Hochschulwettbewerb

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Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert
Direktor und Gründer des Instituts für Marketing am Marketing Centrum Münster (MCM) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Von 2002 bis 2005 Vorsitzender des Vorstands der Bertelsmann Stiftung

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert, Vorsitzender des Praesidiums und der Geschaeftsleitung der Bertelsmann Stiftung in Guetersloh

Es ist offenkundig, dass der Hochschulsektor in unserem Lande seit geraumer Zeit vor großen Herausforderungen steht, die mit einem weitreichenden Wandel in den Strukturen und Prozessen der Bildungsinstitutionen verbunden sind. Ausgehend von der zunehmenden Globalisierung und Internationalisierung finden bei wachsenden Anforderungen an die berufliche Aus- und Weiterbildung und bei knapper werdenden öffentlichen Mitteln zunehmend Marktprozesse Eingang in die Hochschullandschaft. Die durch Deregulierung in Hochschulfreiheitsgesetzen geschaffenen Freiräume für die Einführung von Studiengebühren führten mit der Gründung privater und dem Angebot grenzüberschreitender Hochschulen zur spürbaren Intensivierung des Wettbewerbs in nahezu allen Bereichen der Forschung und Lehre.

I. Die „entfesselte Hochschule“ als Leitbild des Wandels

Die traditionsreichen und weltweit anerkannten deutschen Hochschulen verloren infolge der 1960er und 1970er Jahre bei wachsenden Studentenzahlen, enger Regulierung und mangelnder Reformfähigkeit im internationalen Vergleich an Boden. Vielerorts wurden die zu lange Studiendauer und Qualitätsmängel in der Ausbildung ebenso wie fehlende Exzellenz in der Forschung beklagt. Die Krisensymptome der „verwalteten und verbeamteten Hochschulen“ führten im Laufe der weiteren Entwicklung zu vielseitigen Forderungen und Reformvorschlägen nach mehr Qualität sowie höherer Effektivität und Effizienz des Hochschulsystems.

Wegweisende Schritte zum Wandel leitete Anfang der 1990er Jahre der erfolgreiche Unternehmer und gesellschaftlich engagierte Stifter Reinhard Mohn mit der Gründung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) ein. Er verband damit die Vorstellung, dass durch die marktwirtschaftlichen Prinzipien Freiheit und Wettbewerb gepaart mit unternehmerischem Denken und bewährten Führungsmethoden in Zusammenarbeit mit den Entscheidungsträgern in der Hochschullandschaft der notwendige Wandel einzuleiten und durchzusetzen sei. Getragen von dieser Vision gelang es ihm, mit großem Einfühlungsvermögen für die festgefahrene Situation der Hochschulen, die deutsche Rektorenkonferenz als Partner und den erfahrenen Hochschullehrer und Rektor der Universität Dortmund, Prof. Dr. Detlef Müller-Böling, als Geschäftsführer des gemeinnützigen Unternehmens zu gewinnen. Beides war ein Glücksfall. Müller-Böling erwies sich als ideenreicher, strategisch denkender und handelnder Pionier des Wandels, der sich mit der Hochschulkonferenz als Partner im weithin starren System besser durchsetzen ließ.

Er entwickelte auf der Grundlage der Prinzipien Freiheit und Wettbewerb die Vorstellung einer „entfesselten Hochschule“ als Leitbild für die Tätigkeit des CHE. Die „entfesselte Hochschule“ ist nach diesem Vorstellungsbild autonom, wissenschaftlich profiliert und wettbewerbsfähig, wirtschaftlich, international und Medien gegenüber aufgeschlossen. Es handelt sich um einen ganzheitlichen Ansatz, der Einzelreformen immer im Kontext einer wünschenswerten Gesamtentwicklung sieht. Das CHE hat auf dieser Basis der gesamten Eigenschaften eine bis dahin nicht vergleichbare Themenlandkarte mit anspruchsvollen Zielen für die eigene Arbeit entwickelt. Es ist nicht Gegenstand dieses Beitrags, die herausragenden Leistungen zu würdigen, die in den vergangenen Jahren von Müller-Böling initiiert, mit seinem Mitarbeiterteam entwickelt und erfolgreich implementiert wurden. Die erfolgreiche Tätigkeit des CHE ist an anderen Stellen – auch und insbesondere anlässlich des 10jährigen Bestehens – ausführlich gewürdigt worden. Als Katalysator, Agent und Pionier des Wandels hat Müller-Böling mit den mutigen Reformvorschlägen des CHE für mehr Markt, neue Strukturen, Führungsmodelle und Leistungsprofile viel Beifall, aber auch Kritik erhalten. Letztere bezieht sich auf die mit der Einführung von Studiengebühren und Leistungskennziffern verbundene Marktorientierung und Ökonomisierung der Hochschulausbildung einerseits und den Aussagewert von Methoden zur Qualitätsbeurteilung von Forschung und Lehre der Hochschulen andererseits. Beide Aspekte finden ihren Niederschlag in unterschiedlichen Konzepten des Marketing und Ranking von Hochschulen. Im Folgenden soll unter Bezugnahme auf die Arbeiten des Jubilars im CHE die Bedeutung und Funktionsweise beider Konzepte im Hochschulwettbewerb näher beleuchtet und ihre Interdependenzen gewürdigt werden.

II. Marketing: Führungsaufgabe oder Profilierungsinstrument?

Im Rahmen der Entwicklung leistungsfähiger Führungskonzepte für Hochschulen hat sich Müller-Böling Fragen des Marketing zugewandt und dessen Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit und Anwendung auf diesen spezifischen Dienstleistungsbereich erörtert sowie in der praktischen Beratung erprobt. Er folgt dabei konsequent den im Leitbild der „entfesselten Hochschule“ postulierten Forderungen „Profilbildung“ und „Wettbewerbsorientierung“. Entscheidend für den Einzug des Marketing in die Hochschulen war und ist auch in Zukunft seiner Meinung nach der zunehmende Wettbewerbsdruck. Damit wird nicht nur der Zusammenhang zur Marktorientierung über die fortschreitende Autonomie der Hochschulen, sondern auch zu der über die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und nicht zuletzt durch Rankings geförderten größeren Markttransparenz sichtbar. Im Dreieck zwischen Angebot, Nachfrage und Wettbewerb stellt sich die Forderung nach der Sicherung und dem Ausbau von Wettbewerbsvorteilen durch Profilbildung. Die profilierte Hochschule muss nach Müller-Böling Abstand nehmen von der Fiktion alle Hochschulen seien gleich. Sie setzt Akzente und tritt mit einem besonderen Leistungsportfolio in Erscheinung, das in einem Hochschulentwicklungsplan seinen Niederschlag finden muss. Liquidität, Erfolg und die Erschließung von Erfolgspotenzialen bestimmen ihr Handeln. Folgt man diesen Vorstellungen der „entfesselten Hochschule“, so ist Marketing zweifellos mehr als Werbung und Kommunikation. Als umfassender Denkansatz verlangt es Planung, Koordination, Implementierung und Kontrolle aller auf die Ziel- und Anspruchsgruppen gerichteten Aktivitäten, um komparative Wettbewerbsvorteile zu sichern und auszubauen. In diesem Sinne haben sich im kommerziellen Marketing die folgenden Merkmale bewährt, deren Übertragbarkeit auf ein ganzheitliches Hochschulmarketing zu prüfen ist:

Der Philosophieaspekt fordert als Maxime die bewusste Bedürfnisorientierung aller (Hochschul-)Bereiche an den Bedürfnissen der Nachfrager bzw. Anspruchsgruppen.
Der Informations- und Segmentierungsaspekt setzt relevante Informationen zur Erfassung der Anspruchsgruppen und zielgruppenspezifischen Marktbearbeitung voraus.
Der Strategieaspekt verlangt mit der Entwicklung eines längerfristigen Verhaltensplans eine klare zukunftsorientierte Wettbewerbspositionierung durch Setzung von Prioritäten in den Leistungsprogrammen und Zielgruppen.
Der Aktionsaspekt verlangt den strategiekonformen und koordinierten Einsatz geeigneter Maßnahmen und Instrumente der Marktbearbeitung. Sie umfassen im klassischen Verständnis die Produkte bzw. Leistungsprogramme, preis- bzw. kontrahierungspolitische Maßnahmen, Place im Sinne distributions- und verkaufspolitischer Maßnahmen sowie Promotion, d. h. den Einsatz klassischer und interaktiver Kommunikationsinstrumente (4 P´s).
Der Organisationsaspekt schließlich erfordert eine Verankerung des Marketing in der Hochschulorganisation und eine entsprechende Bereitstellung von Ressourcen. Dies verlangt über eine Marketing-Abteilung hinaus eine in der Führung verankerte marktorientierte Denk- und Handlungsweise („Marketing ist Chefsache!“).
Dennoch sind dem Marketingverständnis im Sinne einer konsequenten marktorientierten Führung der Hochschule vielfach Grenzen gesetzt. Diese liegen nicht nur in der Vielfalt der Zielgruppen (Studierende, Alumni, Mitarbeiter, Forschungsinstitutionen, Öffentlichkeit etc.), den interdependenten Leistungsprogrammen (Lehre, Forschung, Weiterbildung und unterstützende Dienstleitungen) und der großen Zahl von Instrumenten des Marketing-Mix (7 P im Dienstleistungsbereich) sowie der damit verbundenen Komplexität der Führungsaufgabe. Vielmehr sind die Marktorientierung und die damit verbundene Ökonomisierung von Forschung und Lehre begrenzt. Diese ist zum einen in der persönlichen Freiheit von Forschung und Lehre und zum anderen im öffentlichen Bildungsauftrag begründet. Auf diesen Sachverhalt hat Müller-Böling besonders hingewiesen. Hinzukommt eine zweite bemerkenswerte Einschränkung, die in der spezifischen Corporate Governance der meisten Hochschulen begründet liegt. Die weitgehend dezentralen Strukturen mit hohen, nicht weisungsgebundenen Freiheitsgraden der Beschäftigten in Forschung und Lehre erschweren die Willensbildung und Willensdurchsetzung einheitlicher Profilierungs- und Positionierungskonzepte. Hinzukommt, dass der Marketinggedanke bei den in der Führungsspitze verantwortlichen Wissenschaftlern einer Hochschule vielfach noch mit Vorurteilen und Reaktanzen verbunden ist. Insofern steht diese Disziplin im Hochschulbereich – wie Müller-Böling (in einem Rück- und Ausblick auf 10 Jahre Hochschulmarketing) treffend bemerkt – trotz seiner dynamischen Entwicklung immer noch am Anfang.

III. Hochschulrankings: Orientierungs-, Stimulierungs- oder Steuerungsfunktion?

Im Leitbild des CHE konkurriert die wettbewerbsorientierte Hochschule national und international um Studienanfänger, Studierende, Wissenschaftler, Ressourcen und Reputation. Wesentliche Grundbedingungen für einen fairen und förderlichen Wettbewerb sind Transparenz der Angebote und die Freiheit ihrer Wahl. Es besteht kein Zweifel, dass die Markttransparenz im Hochschulbereich angesichts der Vielzahl von Lehr- und Forschungsaktivitäten für die Marktbeteiligten unzureichend ist. Insofern können qualifizierte Rankings der Studienangebote und Forschungsleistungen von Hochschulen – sofern sie neutral und kompetent sind – wichtige Funktionen im Entscheidungsprozess über die Wahl von Hochschulen übernehmen. Fundierte empirische Untersuchungen belegen denn auch die hohe Nutzung und Relevanz derartiger Informationen für Studienanfänger und Studierende. So erfüllt das erstmals 1998 durchgeführte CHE-Hochschulranking als umfassendes und detailliertes Ranking deutscher Universitäten und Fachhochschulen eine wichtige Orientierungsfunktion. Dies gilt umso mehr, als in differenzierter Form ein Vergleich der Angebote auf Fächerebene über eine Vielzahl ungewichteter Indikatoren Aufschluss über spezifische Stärken und Schwächen (Studium, Lehre, Ausstattung, Forschung, Reputation) vermittelt.

Richtet man den Blick auf die Nutzung solcher Informationen von den Mitgliedern der Hochschule selbst, so könnte man mit einem Urteil eines erfahrenen amerikanischen Fachkollegen den Stellenwert von Rankings wie folgt beschreiben: „Man darf sie nicht überbewerten, kann sie aber auch nicht ignorieren“. Dennoch gewinnt die Frage, wer bei Rankings „schlecht“, „gut“ oder „exzellent“ bewertet worden ist, beim Hochschulpersonal auf allen Ebenen zunehmendes Interesse. So konnte man in einer Pressenotiz aus der Süddeutschen Zeitung vom 19.12.2007 lesen: „Rankings sind nicht tot zu kriegen. Selbst wer Listen der besten Universitäten ignoriert, weiß doch, dass sie von anderen ernst genommen werden“. Damit ist die ambivalente Situation hinsichtlich der Verhaltensrelevanz bei den Entscheidungsträgern in Wissenschaft und Verwaltung angesprochen. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass Rankings im Hochschulwettbewerb eine stimulierende Anreizfunktion ausüben. Sie sind nicht nur über den Marktvergleich und das Benchmarking Ausdruck der „ökonomischen Rationalität“, sondern sie sind auch dem wissenschaftlichen Denken immanent und beflügeln den Sportgeist. So ist der Wissenschaftler stolz, wenn ihm bestätigt wird, dass er an einer Hochschule oder Fakultät lehrt, die auf vorderen Rangplätzen in der ersten Liga spielt. Mehr noch werden solche Informationen verhaltensrelevant, wenn über solche reputationsfördernde, d. h. nicht-monetäre, sondern auch finanzielle Anreize verbunden sind. In diesem Zusammenhang kommt neuerdings vor allem Forschungsrankings, die universitäre Forschungsleistungen transparent machen und leistungsstarke Fakultäten besonders hervorheben eine besondere Aufmerksamkeit zu. Diese Informationen spielen zwar für die unmittelbare Vergabe von Forschungsmitteln keine große Rolle, werden aber ähnlich wie Akkreditierung und Zertifizierungen als Qualitätssignale bei der Studentenwerbung und dem Fundraising zur Stärkung der Glaubwürdigkeit des Leistungsversprechens eingesetzt (vgl. z. B. den Slogan der Handelshochschule Leipzig „Your path to success“).

Vor dem Hintergrund der mit den Rankings verfolgten Zielsetzungen stellt sich angesichts der großen Zahl der im Hochschulbereich konkurrierenden Konzepte – allein in Deutschland existieren mehr als 10 Hochschulrankings – die Frage nach deren Güte und Grenzen. Es ist hier nicht der Ort prinzipielle Probleme und spezifische Kritikpunkte von Rankings aufzugreifen. Sie sind hinreichend bekannt und können nicht mit der Überschrift „Ranking oder Ratespiel“ (Süddeutsche Zeitung, 26.07.2004) unter Verweis auf problematische Erhebungsmethoden und divergierende Ergebnisse in den Rangfolgen abgetan werden. Die Rankings richten sich mit unterschiedlichen Zielen der Qualitätsbeurteilung an verschiedene Zielgruppen. So will beispielsweise das CHE-Alumni-Ranking Auskunft darüber geben, wie Absolventen rückblickend ihr Studium und die darin vermittelten Kompetenzen bewerten. Es versteht sich von selbst, dass dieses mehr oder weniger mit emotionaler Nostalgie gefärbte Distanzurteil zu anderen Ergebnissen führen muss als die Zufriedenheitsstatements aktueller Studenten über deren Arbeitsbedingungen, die in die Qualitätsbeurteilung der Lehre eingehen. Große Universitäten schneiden dabei durchweg schlechter ab als kleine. Deshalb vermitteln simple Ranglisten mit hochaggregierten Durchschnitts- und Gesamtnoten kein hinreichend differenziertes Bild über die Qualität in Forschung und Lehre. Der Wissenschaftsrat bezeichnet deshalb seine Pilotstudie zu den Forschungsleistungen als „Rating“. Es besteht also ein großes Spannungsfeld zwischen „plakativen Hitlisten“ mit bisweilen tendenziösen Ergebnissen einerseits und seriösen Studien, die wegen ihrer Komplexität hohe Anforderungen an die Informationsverarbeitungskapazität der Nutzer stellen. Angesichts der Vielzahl heterogener, schwer überschaubarer Hochschulrankings kann daher von einer „manipulativen Steuerung“ der Studenten und interessierten Zielgruppen der Öffentlichkeit nicht gesprochen werden. Freilich besteht ein hohes Maß an Unsicherheit über die Qualität der Informationen und Divergenzen in der Intensität der Nutzung und Beurteilung der Relevanz von Rankinginformation für Entscheidungen bei der Wahl einer Hochschule. Angesichts dieser Situation wird gelegentlich ein „Ranking des Ranking“ gefordert, um ein höheres Maß an Sicherheit und Objektivität zu erlangen. Das sich inzwischen zu einer starken Marke etablierte Ranking des CHE würde mit seiner informations- und vertrauensstiftenden Funktion dabei mit großer Sicherheit – trotz der bisweilen geäußerten Einzelkritik – als Leuchtturm einen Spitzenplatz erhalten.

Bleibt abschließend die Frage nach dem Zusammenhang des Marketing und Ranking im Hochschulwettbewerb zu beurteilen. Dienstleistungen im Bildungs- und Hochschulbereich sind in hohem Maße Vertrauensgüter, d. h. sie können nicht ex ante auf ihre Qualität wie etwa Erfahrungsgüter (z. B. Ausstattung der Hörsäle) überprüft werden. Die Unmöglichkeit einer verlässlichen Leistungsbeurteilung verweist auf die potenzielle Wirkung einer Hochschulmarke als Qualitätssignal. In diesem Zusammenhang verweist Brockhoff auf Rankings als ein Outputsignal, das bei guter Bewertung zu Vertrauensgewinn führen kann. So können Marketing und Ranking bei seriöser und fundierter Handhabung der Konzepte komplementäre Funktionen erfüllen. Rankings verschaffen durch Marktvergleiche Transparenz und tragen bei den einschlägigen Zielgruppen zur Steigerung der Effizienz bei der Informationssuche und Bewertung von Hochschulalternativen bei. Statistisch abgesicherte, zuverlässige und neutrale Rankinginformationen reduzieren darüber hinaus das Risiko von Fehlentscheidungen bei der Hochschulauswahl. Bei den Anbietern stimulieren solche Informationen den Wettbewerb, vermitteln Einblicke in die Stärken und Schwächen der Positionierung von Konkurrenten und können auf diese Weise in Verbindung mit dem Marketing strategische Dialoge fördern und unterstützen. Dies setzt allerdings voraus, dass über Marktforschungsaktivitäten hinaus eigenständige Informationen über die Wahrnehmung und Einschätzung der Hochschule bei den relevanten Zielgruppen vorliegen. Damit ist die Bedeutung der Positionierung und Führung von Hochschulmarken angesprochen. Letztere können als mehr oder weniger fest verankerte Vorstellungsbilder in den Köpfen der Zielgruppen verstanden werden. Ähnlich wie Rankings fungieren starke Hochschulmarken als Orientierungs- und Vertrauensanker bei den Nachfragern und führen zur Differenzierung im Wettbewerb. Ein glaubwürdiges und konsistentes Reputationsmanagement der Hochschulen soll nach den Prinzipien einer identitätsorientierten Markenführung für eine hohe Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdbild sorgen. Allerdings zeigt eine Untersuchung von Brockhoff zur Bekanntheit von Universitätsmarken in Deutschland, dass bis auf wenige Ausnahmen bei der Zuordnung von Logos die Diffusität hoch und die Trefferquote gering sind. Da die Fremdbilder einer Hochschule in Rankings und Imageanalysen nicht erheblich voneinander abweichen und mit den Realitäten hinreichend übereinstimmen sollten, ergeben sich für eine weiterführende Forschung auf diesen Gebieten interessante Ansatzpunkte.

2005 Meffert Private Hochschulen

IV. Persönliche Begegnungen mit Detlef Müller-Böling

Obwohl wir beide Hochschullehrer der Betriebswirtschaft sind, gab es in der frühen Zeit unserer wissenschaftlichen Lehr- und Forschungstätigkeit mit der Ausnahme von Begegnungen bei Tagungen im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft nur wenige Berührungspunkte. Dies lag wohl auch darin begründet, dass zwischen unseren Spezialgebieten und Interessenlagen, Empirische Wirtschafts- und Sozialforschung und Hochschulmanagement einerseits und Marketing andererseits, damals nur wenige Verbindungen bestanden. So habe ich den Kollegen Müller-Böling auch mit der Übernahme seines Rektorats an der Universität Dortmund nur aus der Distanz wahrgenommen. Eine erste unvergessliche Begegnung ergab sich aus der Einladung zu einem Vortrag über „Entwicklungsperspektiven der marktorientierten Führung“ bei der Förderergesellschaft der Universität Dortmund mit einer interessanten weiterführenden Diskussion im kleinen Kreise. Rektor Müller-Böling und Kanzler Klaus Anderbrügge erörterten mit klaren Vorstellungen die Herausforderungen und Perspektiven ihrer Universität und wollten dabei von mir genau wissen, welchen Beitrag Marketing hierzu leisten könne. Wir sprachen dabei u. a. über die Rolle neuer privater Hochschulen im Wettbewerb und über die Notwendigkeit zur Professionalisierung und Weiterentwicklung des Hochschulmanagements an deutschen staatlichen Universitäten.

Als ich von der Gründung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) von Reinhard Mohn und seiner Entscheidung, Müller-Böling in die Leitung dieser Institution zu berufen, hörte, war ich nicht überrascht und wusste, dass er mit dieser Personalentscheidung einen Glücksgriff getan hatte. Es zeichneten sich damals an allen Hochschulen in unserem Lande unter dem Einfluss der wachsenden Internationalisierung Reformbestrebungen und eigenständige strategische Entwicklungen in den Fakultäten ab. So gelang es mir, bereits in einem frühen Stadium des CHE mit Müller-Böling und seinem Team ein Projekt zur Evaluierung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster auf den Weg zu bringen. Wir haben damals von den reichhaltigen Erfahrungen und der zu angemessenen Preisen gebotenen Beratungskompetenz sehr profitiert.

Allerdings konnte ich mir damals nicht vorstellen, dass mich einmal mit Müller-Böling konkrete Arbeitsbeziehungen und eine gemeinsame Verantwortung auf das inzwischen auf 28 Mitarbeiter angewachsene CHE verbinden würden. Dies änderte sich schlagartig, als ich 2002 in den Vorsitz des Präsidiums der Bertelsmann Stiftung berufen wurde und von Gerd Schulte-Hillen den Vorsitz der Gesellschafterversammlung des CHE übernommen habe. Müller-Böling war gleichzeitig Mitglied der Geschäftsführung der Bertelsmann Stiftung und machte mir Mut, in einer turbulenten Zeit finanzieller Einsparungen und strategischer Anpassungen, die Herausforderungen des Change-Prozesses in der Stiftung anzunehmen. Gerne erinnere ich mich noch an einen langen Abend mit kollegialer Strategieberatung und wertvollen Hinweisen für Verhaltensregeln im Change-Prozess einer Stiftung. Bald zeichnete sich ab, dass das CHE in seiner Größe und Struktur ein Modellfall für erfolgreiche Großprojekte in der Bertelsmann Stiftung war. Müller-Böling präsentierte mir sein Leitbild der „entfesselten Hochschule“ mit erfolgreichen Projekten der Strategie- und Strukturberatung bei der Anpassung von Hochschulen, den Stand des CHE-Hochschulrankings und erste Projekte des Hochschulmarketing. Ich lernte Müller-Böling in dieser Zusammenarbeit nicht nur als Visionär und ideenreichen Pionier der Hochschulentwicklung, sondern auch als engagierte teamorientierte Führungspersönlichkeit und strategisch kalkulierenden Rechner und von der Sache überzeugten harten Verhandler kennen. Dennoch haben wir uns über gemeinsame Zielvereinbarungen auch in kritischen Fällen – wie bei der Kostentragung des Umzugs des CHE – in fairer Weise geeinigt und in einem intensiven Strategiedialog die Zukunftsperspektiven mit der veränderten gemeinnützigen und privaten Organisationsstruktur des CHE gesichert.

Gerne erinnere ich mich auch an zahlreiche gemeinsame Auftritte in Veranstaltungen und Symposien, z. B. „Internationales Hochschulmarketing“ in Bonn, „Private Hochschulen in Deutschland – Reformmotor oder Randerscheinung?“ in Berlin oder „Hochschulmarketing – Herausforderungen und Erfolgsfaktoren im Wettbewerb“ in Münster und an meine Mitwirkung in interessanten Sitzungen der CHE-Marketingrunde. Ein besonderer Höhepunkt war das Symposium („Weiter entfesseln – den Umbruch gestalten. Studienprogramme, Organisationsformen, Hochschultypen“) anlässlich des 10jährigen Bestehens des CHE, das ich eröffnen durfte, und dessen große Resonanz in Politik, Wissenschaft und Hochschulpraxis mit der Würdigung der Leistungen des CHE und der hohen Anerkennung seines Leiters mich sehr beeindruckt hat.

Prof. Dr. Detlef Müller-Böling hat sich um die Entwicklung der deutschen Hochschule verdient gemacht. Ich gratuliere ihm sehr herzlich zur Vollendung seines 60. Lebensjahres. Ich wünsche ihm für den neuen Lebensabschnitt viel Glück, vor allem Gesundheit, persönliche Zufriedenheit und mehr Muße für die schönen Dinge im Leben.

Heribert Meffert

2004_04_29 Gaethgens Meffert 10Jahressymposium
Peter Gaehtgens, Mü-Bö, Heribert Meffert April 2004 CHE-10Jahres-Symposium

Weiterführende Literatur:

Brockhoff, K., Bedeutung und Bekanntheit von Universitätsmarken, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.) Dienstleistungsmarken – Forum Dienstleistungsmanagement, Wiesbaden 2008.

Meffert, H., Backhaus, K., Becker, J. (Hrsg.) Arbeitspapier der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung Nr. 197, Dokumentation der Tagung Hochschulmarketing – Herausforderung und Erfolgsfaktoren im Wettbewerb, Münster 2007.

Meffert, H., Burmann, C., Kirchgeorg, M., Marketing – Grundlagen Marktorientierter Unternehmensführung, Wiesbaden 2008.

Müller-Böling, D., Die entfesselte Hochschule, Gütersloh, Verlag Bertelsmann Stiftung, 2000.

Müller-Böling, D., Zürn, M. (Hrsg.) Private Hochschulen in Deutschland – Reformmotor oder Randerscheinung?, Dokumentation des Symposium der Hertie School of Governance und des CHE Centrum für Hochschulentwicklung, Berlin 2005.

Müller-Böling, D., Marketing von Hochschulen – Ein Rück- und Ausblick, in: Bruhn, M., Kirchgeorg, M. Meier, J. (Hrsg.) Marktorientierte Führung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, Wiesbaden 2007.

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