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25 Jahre segeln im 2.4er

25 Jahre segeln im 2.4er
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Je älter man wird desto mehr Jubiläen erlebt man. Die einen feiert man, die anderen nimmt man im Zweifel gar nicht wahr.

Ein Jubiläum steht jetzt an, bei dem ich nicht genau weiß, zu welcher Kategorie es gehört.

Vor 25 Jahren kaufte ich mir zusätzlich zu meinem H-Boot Flitzpiepe eine 2.4mR Flitzpiepchen und segelte meine erste Regatta Anfang Mai 2000, den Berlin Cup am Müggelsee. Ganze neun Segler waren auf der Bahn und es ging mit Jens Als Andersen aus Dänemark auch schon international zu. Acht Segler waren behindert, einer nicht. Eine völlig neue Situation für mich, denn bei meiner bisherigen Segelkarriere war es immer umgekehrt. Ich war bisher meist der einzige Behinderte. Aber was viel wichtiger war, ich hatte mich gar nicht als (behinderter) Exot gefühlt, sondern immer schon als gleichberechtigter Segler – genauso übrigens wie in Schule, Studium, Beruf oder Privatleben. Jetzt musste ich lernen, dass es im 2.4er sogar besondere Regatten nur für Behinderte gab, etwa Weltmeisterschaften oder erstmals die Paralympischen Regatten in Sydney.

Aber noch etwas Wichtiges geschah zwei Wochen später, genauer am 15. Mai 2000: zehn 2.4-Segler saßen in Schleswig bei der Deutschen Meisterschaft zusammen und gründeten die Deutsche 2.4mR Klassenvereinigung. Ich zählte als Newcomer dazu und hatte sogar die Ehre, die Gründungsversammlung zu leiten. Von den damaligen Gründungsmitgliedern ist heute noch die Hälfte dabei. Neben mir Michael Kempf, Mathias Kortke, Heiko Kröger und Bernd Zirkelbach.

Die Klasse verzeichnete einen kontinuierlichen Aufschwung. Aus den zehn Seglern wurden in gut 15 Jahren etwas über 60. Aus zwei Regatten am Müggelsee und der IDM in Schleswig im Jahre 2000 wurden 11 im Jahre 2017. Immer mit dem Fokus des Regattabootes für Behinderte.

Weltmeisterschaft 2003 in Eckernförde

Dann kam der Umbruch. 2016 fand die letzte Paralympische Regatta in Rio de Janeiro statt. Segeln wurde aus dem Programm der Paralympischen Spiele gestrichen. Damit erlebte die 2.4mR Klasse weltweit eine Krise; denn die bisherige öffentliche Kennzeichnung als Behindertenboot hinderte viele Segler in die Klasse einzusteigen. Im Gegenteil aufgrund der fehlenden Finanzierung des Behindertensegeln in aller Welt gab es sogar überall erhebliche Schrumpfungsprozesse.

2017 machte sich dann in Deutschland ein neuer Vorstand unter Ulli Libor daran, die Klassenvereinigung auf die neuen Verhältnisse auszurichten. Mit koordinierten Maßnahmen wurde konsequent am Image der Klasse gearbeitet: Messestände auf den Ausstellungen in Hamburg und Düsseldorf, Verleihen von Booten und ein Boot der Klassenvereinigung zum Regattasegeln von Spitzenseglern anderer Klassen, kontinuierliche Pressearbeit in Segler-Zeitung und YACHT, aktive Kommunikation durch eine (immer noch) attraktive Webseite und einen Newsletter, neue Regattaformate, um nur einige Maßnahmen zur Aussendung der neuen Botschaft zu nennen. Diese Botschaft lautete:

Wir segeln ein sehr anspruchsvolles Regattaboot für alle
– ob Frauen oder Männer, schwer- oder leichtgewichtig, behindert oder nicht –
mit gleichen Chancen auf den Sieg in einer offenen, aktiven und ideenreichen Gemeinschaft.

Wir praktizierten damit Inklusion als gleichberechtigte Teilhabe in vollster Vollendung mit dem Slogan „Easy to sail but a challenge to race“. Und diese Botschaft kam an. Die Zahl der Mitglieder verdoppelte sich auf 120 Seglerinnen und Segler und das gegen den Schrumpfungstrend in allen anderen Ländern. Die Zahl der Regatten stieg auf 20, u.a. auch wegen einer klaren internationalen Strategie der Klassenvereinigung.

Aber wie das in jedem guten Verein so ist. Es bildete sich eine kleine Opponentengruppe mit der Zielsetzung, das Behindertensegeln, insbesondere mit der Wiedereinführung von Segeln bei den Paralympischen Spielen, erneut in den Mittelpunkt zu stellen. Und darüber hinaus die Bestrebungen zu unterstützen, aus der Konstruktionsklasse 2.4mR eine Einheitsklasse (One Design) zu machen. Nachdem die Auseinandersetzung jede Sachlichkeit verloren hatte und mit Falschbehauptungen bis hin zu persönlichen Diffamierungen geführt wurde, trat der Vorstand unter Ulli Libor nach vier Jahren 2021 zurück, sicherlich auch in der Hoffnung, eine Mehrheit der Mitglieder würde die Klassenvereinigung auf einem vernünftigen Weg weiterführen.

Das war nicht der Fall. Seit vier Jahren dümpelt die Deutsche Klassenvereinigung kraft- und ideenlos dahin. Die unrealistischen Ziele der Wiedereinführung der Paralympischen Spiele sind erwartungsgemäß nicht erreicht und nach der Einheitsklasse rufen nur noch wenige der verbliebenen aktiven Segler in der Welt. Die Klasse schrumpft nun auch in Deutschland, eine Öffentlichkeitsarbeit findet nicht statt, die Zahl der Regatten geht zurück und ein arbeitender Vorstand ist nicht mehr sichtbar.

Von daher kommt keine Jubiläumsstimmung auf. Wer sollte auch feiern?

Aber Regatten im 2.4er werden weiterhin mit viel Begeisterung gesegelt – auch von mir, solange es geht! Nunmehr auch mit einer klaren politischen Botschaft nach Europa.

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