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Trump-Wahl und mögliche Lehren

Trump-Wahl und mögliche Lehren
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Der Schock sitzt tief. Mit großer Mehrheit wurde heute Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. Es ist nicht so sehr, dass Trump offensichtlich lügt, das tun andere Politiker auch, dass er bei allen politischen Themen einfache Rezepte verfolgt, die der komplexen Wirklichkeit wohl nicht gerecht werden, dass er ein Egomane ist, dem man keine Atomwaffen anvertrauen möchte.

Viel erschreckender und verstörender ist, dass nationalistische Parolen, Hass auf Andersdenkende, Andersgläubige, Andersstämmige, Andersseiende soviel Anklang finden. Man hat dafür jetzt den Begriff der postfaktischen Realität erfunden, sich um Fakten, um journalistische Recherche, um wissenschaftliche Erkenntnisse nicht zu scheren, sondern letztlich Gefühle dagegen zu setzen.

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Und das ist ja alles kein amerikanisches Phänomen. Trump ist nah. Nicht zuletzt triumphieren jetzt Europas rechtsnationale Vertreter, ob dieses Sieges in den USA. Von Polen über Ungarn, von Frankreich über die Niederlande sind nationale Töne und Abschottungen wieder in. Dass nationalstaatliche Abschottung nicht zu Wohlstand, sondern zu verheerenden Kriegen führt, ist eine – leider „postfaktische“ – Lehre aus den vergangenen Jahrhunderten in Europa. Aber dieser Gedanke ist völlig verloren gegangen, gerade wenn man sich den Zustand der EU anschaut. Der Brexit ist nur ein Ausdruck davon.

detuschlandflaggeAber auch bei uns in Deutschland ist es nicht besser. Viele Menschen und Wähler glauben auch hier (wieder), dass am deutschen Wesen (das durch Abstammung garantiert ist) die Welt genesen soll. Der Fakt, dass wir seit Jahrtausenden im Blut gemischt sind, und unsere heutige hohe kulturelle Identität vielfacher Zuwanderung verdanken (beispielsweise Niederländern oder Hugenotten – siehe mein Festvortrag zum Dortmunder Lions-Jubiläum), ist in der postfaktischen Realität irrelevant und macht uns, die wir noch auf geschichtliches Wissen oder wissenschaftliche Erkenntnisse zählen, hilflos im Umgang mit den rechtsradikalen Gläubigen.

Wir haben es mit einem gigantischen gesellschaftlichen Bruch zu tun, der gerade einen empirisch orientierten Wissenschaftler hart an kommt. Es geht heute und offensichtlich auch in näherer und weiterer Zukunft nicht mehr um Erkenntnisse, die belegt oder bewiesen werden können, sondern um gefühlte Wahrheiten. Menschen und Wähler fühlen sich abgehängt, fühlen sich betrogen von Großkonzernen, von Politikern, von der Presse.

Ich will nicht verhehlen, dass es auch nach meiner Überzeugung wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit ebenso wie Bildungsungerechtigkeit in unserem Land gibt. Hier ist Politik permanent gefordert und hat in den letzten Jahren nicht hinreichend gewirkt. Dass Kinder etwa aus sozial benachteiligten Familien weniger Bildungschancen haben als andere, ist vielfach belegt (siehe z.B. Bildungsgerechtigkeit), hat aber bisher nicht zu wirklichem politischen Handeln geführt.

Daher müssen wir an zwei Punkten ansetzen, wenn wir Lehren aus der Trump-Wahl und den weiteren Rechtsrucken ziehen wollen:

  • Einmal müssen wir die Welt da verbessern, wo sie „belegt“ schlecht ist.
    Hier ist das politische System gefordert, seine Aufgaben – vielleicht besser als in der Vergangenheit – zu erledigen.
  • Zum anderen aber dürfen wir da, wo sie „gefühlt“ schlecht ist, nicht mit platten und populistischen Scheinmaßnahmen  reagieren.
    Hier sind wir alle gefordert, auch auf die „gefühlten“ Wahrheiten ein zu gehen, Antworten zu finden, warum sie so attraktiv sind, den drohenden Gefahren eines Verfalls der Bedeutung von Wissenschaft entgegen zu treten, die Werte, die uns menschlich, sozial, wirtschaftlich groß gemacht haben wie Liberalität, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie hoch zu halten. Eine, so scheint es, herkuleische Aufgabe, von der ich nicht geglaubt habe, dass sie in meinem Leben noch einmal notwendig sein wird.

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5 Comments

  • Ulrich Bonse

    Lieber Detlef, danke für Deine kritische Analyse!! („Du sagst es.“)
    Herzliche Grüße und gute Wünsche für Dich und Deine Familie,!! Ulrich B.

  • Bernd Gasch

    Postfaktisch haben die Menschen auch früher gedacht und gehandelt (Bayerischer Wirtshaus-Stammtisch). Jetzt wird es nur bekannt und offenbar, weil die Medien ein Ventil geöffnet haben. Das beweist das Echo auf Trump („Das habe ich schon immer gesagt!“; „Wo er Recht hat, hat er Recht!“). Harmloser öffentlicher Anfang: Als der Wetterbericht unterschieden hat zwischen „Temperatur“ und „gefühlter Temperatur“. Handlungsrelevant (bzw „wahlrelevant) „Soll ich jetzt eine Jacke anziehen oder nicht?“ war bei fast allen Menschen (85,3 %) der gefühlte Grund.

    • Detlef

      Lieber Bernd, so ganz kann ich Dir nicht folgen. Immerhin hat das schon eine andere Dimension, wenn jetzt der Stammtisch mehrheitsfähig wird. Und die Sache mit der gefühlten Temperatur, die sich aus Celsius-Graden, Windstärke und Luftfeuchtigkeit zusammensetzt, hat ja sehr zu recht Auswirkungen auf das, was ich anziehe. Wenn aber die Menschen tatsächlich glauben, die Kondensstreifen von Flugzeugen am Himmel seien von der Bundesregierung initiierte Vergiftungen der Bevölkerung, dann wird mir mulmig, von den vielen anderen „Wahrheiten“, die unser Werte- und Ordnungssystem aushebeln, ganz zu schweigen. In Sorge, Detlef

      • Bernd

        Lieber Detlef,
        nur durch Deinen Weihnachtsbrief habe ich entdeckt, dass Du geantwortet hast. Welche Ehre!
        Nochmal meine These:
        Ich unterscheide zwischen den Ursprungs-Gefühlen(bzw. Handlungstendenzen), und den analogen Hemmungstendenz, die gleichzeitig bestehen. Was sich geändert hat sind nicht die Handlungstendenzen, sondern die Hemmungsstärke, die nachgelassen hat. Wenn Trump keine Hemmungen hat, Blödsinn zu äußern, kann ich das auch! ich hab das immer schon so gedacht aber nicht gesagt!

        Analoges Thema:
        Ich bin in der letzten Zeit mehrfach von der Presse über das Phänomen der „Gaffer“ bei Notfällen interviewt worden. Meine Antwort: „Gaffer“ gab es immer, (wenn auch nur bei einem begrenzent Prozentsatz der Bevölkerung). Nur: heute traut man sich offenbar mehr, dem Drang nachzugeben und ihn als berechtigt anzusehen. (Möglicher Grund: Soziale Netzwerke, bei denen es legitim ist, derartige Dinge zu äußern).

        Jetzt dazu doch noch mein Paradebeispiel:
        ein mittelalterlicher Jahrmarkt. Dort waren auch die Bader tätig, die einfache medizinische Behandlungnen durchführten. Da gab es also den Bader A, bei dem ging es schnell, elegant, kompetent zu. Bei einem andern Bader B floß Blut in Srömen, wand sich der Patient und schrie vor Schmerzen, etc. etc. …………
        Frage: Wo waren mehr Zuschauer?

        Ein guter Anlaß, „fröhliche Weihnachten“ und ein gutes Neues Jahr zu wünschen.

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