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Abschied – erleichtert und dankbar

Abschied – erleichtert und dankbar
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Vier Jahre lang war ich Sekretär der Deutschen 2.4mR Klassenvereinigung. 2.4mR steht für ein tolles Segelboot, das ich seit dem Jahr 2000 mit großer Begeisterung auf Revieren in ganz Europa gesegelt bin. Die Klassenvereinigung ist der Zusammenschluss von 2.4mR-Seglern in Deutschland. Im Herbst 2016 telefonierte ich mit Ulli Libor, zweifacher Olympiamedaillengewinner und damals seit zwei Jahren ebenfalls schon infizierter 2.4mR-Enthusiast, und überzeugte ihn, dass wir gemeinsam aus der schwung- und ideenlosen Klassenvereinigung mit 65 Seglerinnen und Seglern in Deutschland eine innovative und wachsende Gemeinschaft machen könnten. Wir verständigten uns mit dem alten Vorstand und bildeten eine Gruppe aus bisherigen und neuen Mitgliedern. Ulli übernahm den Vorsitz und ich die Aufgaben des Sekretärs mit Mitgliederverwaltung, Finanzen und Innen- wie Außenkommunikation. Wir hatten eine Menge Ideen für Neuerungen und ich gab als Erfolgslosung 100 Mitglieder in den nächsten Jahren aus.

Internationale Deutsche Meisterschaft 2018

Mit dem heutigen Tage hat die Klassenvereinigung 117 Mitglieder. Die Zahl der aktiven Regattasegler erhöhte sich von 35 auf 67 in 2019, und immerhin 50 in 2020 trotz Corona. Das sind absolut immer noch keine immensen Zahlen, relativ gesehen ist das Wachstum allerdings beachtlich mit 80 Prozent Mitgliederzuwachs und 90 Prozent Aktivensteigerung. Und das alles bei teilweise dramatischen Einbruchszahlen in anderen europäischen Ländern ebenso wie in den USA oder Australien. Wir haben das erreicht durch ein aufeinander bezogenes Bündel von Maßnahmen. Dazu gehörten:

  • Imagewandel: von einem „Boot für Behinderte“ zu einem Boot für Frauen und Männer, Schwergewichte und Leichtgewichte, Behinderte und Nicht-Behinderte, alle mit gleichen Chancen – einmalig in der Segel- und sonstigen Sportwelt.
  • Aussendung: sehr anspruchsvolles Regattaboot der Meterklasse „Easy to sail but a challenge to race“.
  • Deutsche Meisterschaften bei renommierten Traditionssegelvereinen wie Norddeutscher Regattaverein (2017), Potsdamer Yacht Club (2018), Wassersportverein Baldeney 1919 (2019), Verein Seglerhaus am Wannsee (2020).
  • Gemeinnützigkeit: Akquirieren von Spenden ab 2018 in Höhe von 6.000 € plus Spende eines regattafähigen 2.4mR.
  • Organisation von Leihbooten und Boot der Klassenvereinigung zum Testsegeln von Spitzenseglern anderer Klassen.
  • Kontinuierliche Pressearbeit in Segler-Zeitung und YACHT. Weitergabe unserer Botschaften an wichtige Personen im Segelsport.
  • Aktive Kommunikation nach außen durch hochinformative und lebendige Website mit 3.000 Besuchen und 10.000 Seitenaufrufen monatlich aus aller Welt auch in der Zweitsprache englisch.
  • Aktive Kommunikation nach innen durch Website und Newsletter.
  • Schaffung von innovativen Regattaformaten: Triple Match Trophy (3 Boote treten in kurzen Regatten vor Zuschauern in Ufernähe gegeneinander an, der Sieger wird im K.O.-Verfahren ermittelt) oder Mixed Inclusion Trophy (ein Behinderter, ein Nichtbehinderter und eine Frau bilden ein Team in einer regulären Regatta).
  • Auftritt auf Messen.
  • Gemeinschaftsgefühl, Stolz auf Zugehörigkeit: Mitglieder, die nicht mehr segeln, bleiben Mitglieder der Klassenvereinigung.
  • Trotz gleichbleibendem Beitrag von 30 € pro Mitglied pro Jahr und deutlich gestiegenen Aufgaben und Ausgaben Anstieg des Kassenbestands von 2.100 € auf 10.700 € innerhalb von vier Jahren.

Keine dieser Aktivitäten für sich genommen, hat den Erfolg gebracht, sondern alle Aktivitäten sind miteinander verbunden und wirkten zusammen.

Aber der Erfolg brachte naturgemäß – wie in einem deutschen Verein üblich – nicht nur Anerkennung. Es traten Widerstände auf, die sich auf eine vordergründig vergleichsweise randständige und aussichtslose Aufgabe fokussierten: aus der Konstruktionsklasse 2.4mR gänzlich oder teilweise eine Einheitsklasse zu machen. Dabei führte die Art der Auseinandersetzung

  • mit Kritik ohne konstruktive Konzeptionen,
  • mit substanzlosen Selbstprofilierungen,
  • mit Falschbehauptungen bis hin zu Diffamierungen

zum Rücktritt von Ulli und mir, allein schon aus Selbstachtung. Ab heute hat ein anderer Vorstand die Aufgabe damit umzugehen.

Aus diesem Grund gehe ich mit Erleichterung, aber auch mit großer Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass ich über diese Arbeit noch einmal mit vielen spannenden Menschen neu und intensiv zusammen gekommen bin. Dankbar dafür, dass ich in der Zeit schwerer gesundheitlicher Probleme weiter an einer herausfordernden Aufgabe arbeiten konnte.

Dankbar bin ich aber insbesondere für die gemeinsame Arbeit mit Ulli Libor. Wir haben uns großartig ergänzt durch unsere unterschiedlichen Lebens-, Segel- und Berufserfahrungen. Ulli genießt eine überragende Bekanntheit und Vernetzung in der Segelwelt. Er wusste, was zu tun ist, um eine Klasse national und international auf hohem Niveau zu positionieren. Ich selbst brachte Erfahrungen ein im Umgang mit der Presse, in der Kommunikation übers Internet sowie Arbeiten mit Behörden vom Amtsgericht bis zum Finanzamt. Aus einer von Anfang an offenen Arbeitsbeziehung mit oftmals unterschiedlichen Situationsbewertungen wurden stets gemeinsame Entscheidungen, aber was noch viel wichtiger ist, eine tiefe, bereichernde Freundschaft. Wenn das kein Grund für Dankbarkeit ist.

Jetzt heißt es wieder Segeln – wenn denn die Pandemie es zulässt.

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5 Comments

  • Lieber Detlef ! Vielen Dank für Deine – Eure – Arbeit für die 2.4mR Klasse. Es war mir eine Freude, Euch zu unterstützen, wo immer es mir möglich war.
    Natürlich freue ich mich, Dich wieder auf dem Wasser zu sehen – natürlich in der 2.4mR.

  • Oliver Thies

    Lieber Detlev,
    ich wünsche Dir von ganzem Herzen lebenslange Gesundheit!
    Genieße die neu gewonnene Zeit. Geh bitte wieder segeln.
    Das wird uns allen gut tun!

    Neue Zeiten brechen an, am Ende des Jahres werden wir singen:
    Was für eine geile Zeit!

    Freu Dich auf neues.

    Oliver

  • Detlef Müller-Böling

    Danke für Eure anerkennenden Worte, Christian, Stefan und Loic.

    Wie ich auf dieses Jahr zurückblicken werde, weiß ich noch nicht, Oliver. Das hängt ja auch von Dir als neuem Vorsitzenden der Klassenvereinigung ab. Das Jahr besteht allerdings nicht nur aus Karneval:

    „Nä, wat wor dat denn fröher en superjeile Zick,
    mit Träne in d’r Auge loor ich manchmol zurück.“

    Detlef

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